Wiesenfühlungen

Antje Neumann und Burkhard Neumann

Wiesenfühlungen

Das ganze Jahr die Wiese erleben

Naturführungen, Wahrnehmungsspiele und Geschichtenbuch

Ökotopia-Verlag

Auszug aus dem Buch "Wiesenfühlungen", Seiten 77-79 mit freundlicher Genehmigung des Ökotopia-Verlages:

LöwenzahnDer Löwenzahn – die Pflanze mit den 500 Namen

Einige allgemeine Merkmale

Der Löwenzahn (Taraxacum officinale), hat mehr als 500 im deutschen Sprachgebrauch existierende Namen wie Kuhblume, Butterblume, Pusteblume, Saublume und Saudistel. Er trägt lanzettförmige, gezähnte Blätter ähnlich wie ein Löwengebiss, die als Blattrosette angelegt sind. Diese lichtbedürftige Pflanze steht besonders häufig auf nährstoffreichen Standorten. Von März bis Oktober können an einem 30 cm hohen, milchigen Stängel die gelben Blüten ausgebildet werden. Sie öffnen sich nur bei Sonnenschein. Aus jeder Einzelblüte des Blütenkorbes entwickelt sich jeweils eine Frucht mit einem gefiederten Flugapparat, die bei Kindern sehr beliebte Pusteblume. Auf einem Blütenkorb entstehen 200 bis 400 Fallschirme, die sich vorwiegend Anfang Mai bei schönem Wetter auf die Reise machen. Bei Wind können sie mehrere Kilometer weit fliegen. Wenn der Wind sich legt, sinkt das Fallschirmchen etwa 20 mal langsamer als ein Sportfallschirm. Leonardo da Vinci sah am Ende des 15. Jahrhunderts oft solche kleinen Fallschirme fliegen und konstruierte vermutlich nach ihrem Vorbild einen Fallschirm. Die Samen der kleinen Fallschirme verkrallen sich beim Landen mit ihren kleinen Widerhäkchen wie mit Ankern an Bodenunebenheiten. Sie sind mehrere Jahre keimfähig.

Die Löwenzahnpflanze scheint auch die Kraft eines Löwen zu haben, denn ihre Pfahlwurzel sprengt sogar Asphalt und verschiebt Gehwegplatten. Aus diesem Grund wird der Löwenzahn mitunter in Liedtexten als Symbol des Widerstandes der Natur gegenüber dem menschlichen Wirken verwendet. Die Blattrosette der Pflanze ist trittfest und überdauert Eis und Schnee. Das Mähen im Mai wirkt sich nicht nachteilig auf die Pflanze aus, da die Samenreife zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen ist. Im Gegenteil, durch die Kürze der Wiese und mehr Licht kann die Pflanze noch einmal eine Blüte ausbilden.

Der weiße Milchsaft der Stängel sollte von Kindern nicht ausgesaugt werden, da er mitunter Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen bewirken kann. Er hinterlässt braune Flecken und klebt auch gut. So kann man sich mit dem Milchsaft z. B. eine Gänseblümchenblüte als Ohrring ans Ohr kleben.

Der Löwenzahn ist bei vielen Tieren sehr beliebt, nicht nur bei unseren Hauskaninchen. Die Blüte des Löwenzahns sind im Frühjahr eine wichtige Bienenweide. Weiterhin brauchen 40 Falterarten den Löwenzahn als Futterpt1anze. An seinen Wurzeln nagen Engerlinge, die Larven des Maikäfers. Sind bei der Wiesenfühlung unreife Pusteblumen aufgebrochen zu finden, so waren Finken am Werk. Sie und auch Sperlinge und Stieglitze verfüttern die milchigen Samen an ihre Jungen.

Verwendung

Die heilende Wirkung von Löwenzahntee (häufig in Kombination mit anderen Pflanzen) ist schon seit 5000 Jahren bekannt. Arabische Ärzte beschrieben als erste diese Pflanze. Der Tee wurde gegen Fieber, Blutgerinnsel und zur Stimulierung des Blutergusses bei jungen Müttern verwendet. Die Anwendung von Löwenzahn in der deutschen Heilkunde greift bis ins 13. Jahrhundert zurück. In der Signaturenlehre wurde er auf Grund der gelben Blüten gegen Gelbsucht angewendet. Außerdem wurden mit dem Kraut Fieber, Gallenleiden, Wassersucht und Leberschwellung behandelt. Auch heute wird der Tee aus den Blättern oder der Wurzel genutzt. Er soll gegen rheumatische Beschwerden und Gicht helfen. Der Tee ist wirksam bei Leber- und Gallenleiden und wirkt harntreibend. In Frankreich wird die Pflanze deshalb "pissenlit" (Bettpisser) genannt. Für eine sechswöchige Tee-Kur werden täglich drei Teelöffel getrocknete Wurzeln oder Kraut mit drei Tassen kochendem Wasser Überbrüht (15 Minuten ziehen lassen) und über einen Tag verteilt vor den Mahlzeiten getrunken.

Löwenzahn ist mit Kopfsalat und Endivien eng verwandt. Er wird als Nahrungsmittel im Frühjahr immer beliebter. Die Blätter des Löwenzahns enthalten viel Provitamin A, Vitamin C (100 mg in 100 g Frischmasse), Vitamin B sowie Mineralsalze, Gerb- und Bitterstoffe. Die jungen, noch nicht bitteren Blätter lassen sich in einem Salat (mit Nussöl, gerösteten Mandeln und etwas Zitrone) und wie Spinat verwenden. Aus den Blüten lässt sich ein leicht nach Honig schmeckendes Gelee bereiten oder sie werden auf ein Butterbrot gestreut. Die Blätter erntet man von Februar bis Mai, die Wurzeln im Frühling und Herbst. Die Blütenknospen schmecken gut im Auflauf oder wie Kapern eingelegt.

Früher wurde die frische, zerschnittene Wurzel 15 Minuten im Backofen (250°C) geröstet, gemahlen und dann als Kaffeeersatz verwendet (7 TL auf 11 kochendes Wasser). Ebenso wurde mit den Wurzeln von Wegwarte, Bocksbart, Wilder Möhre und Quecke verfahren.

Löwenzahn-Kartoffelsalat

Zutaten: 2 mittelgroße Pellkartoffeln, 200 g junge Löwenzahnblätter, 1 gehackte, angebratene Zwiebel, Soße aus 2 EL Distelöl, Saft 1 Zitrone, 3 EL Tomatenmark, Salz Pfeffer

Die Kartoffeln in Scheiben schneiden und mit der Salatsoße vermengen. Die fein zerschnittenen Löwenzahnblätter und die gehackte, angebratene Zwiebel hinzugeben.

Mythologie

Einer griechischen Sage nach hat die Göttin Hekate den Helden Theseus mit Löwenzahn bewirtet. Daher sollen Löwenzahnwurzeln am besten im November gesammelt werden, dem Monat der Göttin Hekate.

Um Überall gern gesehen zu werden und jeden Wunsch erfüllt zu bekommen, empfahlen so genannte Hexen im Mittelalter, sich von Kopf bis Fuß mit Löwenzahn einzureiben.

Die nordamerikanischen Indianer haben den Überlieferungen zu Folge bei ihren schamanischen Ritualen getrocknete Löwenzahnblätter geraucht. Das Pusten einer Pusteblume wurde früher von Kindern als Orakel benutzt. So viele Fallschirme nach dem Blasen übrig bleiben, so viele Kinder sollte man bekommen. Und wer es schaffte, alle wegzublasen, war ein Glückskind und durfte sich etwas wünschen. Wissen sollte man aber dabei, dass sich die Schirmchen an feuchten Tagen sehr schlecht aus dem Blütenboden lösen.

Löwenzahnbasteleien

Material: Schüssel, Wasser, Messer, Löwenzahnblüten

Alter: ab 4 Jahren (mit Hilfe)

Figuren raten:

Die Stängel werden auf beiden Seiten aufgeschnitten und ins Wasser gelegt. Sie verformen sich zu gekringelten Figuren.

Was könnten die einzelnen Stiele darstellen?

Schmuck:

Eine Löwenzahnblume wird zu einer Armbanduhr, wenn ihr Stiel durch einen Schlitz hindurch gesteckt wird, der mit dem Fingernagel direkt unterhalb der Blüte eingeritzt wurde.

Für einen Ohr- oder Fingerring muss der Stängel noch weiter hindurchgezogen und später abgebrochen werden.

Für einen Haarkranz werden die Stängel vieler Blumen kurz hinter den Blütenköpfen eingeritzt und jeweils eine weitere Blume bis zur Blüte hindurch gesteckt. Damit der Kranz gut hält, werden die Stängel zwischen den Blüten verflochten.

Löwenzahnpfeife:

Ein 5 cm langes Stängelstück wird an einem Ende platt gedrückt. Dabei den Milchsaft herausdrücken und wegwischen, da er bei manchen Menschen Vergiftungserscheinungen hervorruft. Diese Seite wird in den Mund gesteckt und hinein geblasen. Nach ein wenig Übung ergibt ein dünner Stängel einen hohen Ton, ein dicker Stängel einen tiefen Ton.

Löwenzahn