Von einer verzögerten Sprachentwicklung spricht man, wenn der Erwerb von sprachlichen Äußerungen einerseits zu spät, andererseits aber auch sehr langsam bzw. unvollständig erfolgt. Folgende Symptomgruppen lassen sich unterscheiden:

Verzögerte vorsprachliche Entwicklung/Verzögerter Sprachentwicklungsbeginn:
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Das Kind schreit, gurrt und lallt kaum;

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Das Kind hört zwischen dem sechsten und achten Lebensmonat mit Lautäußerungen auf (dies könnte ein Hinweis auf eine Hörstörung sein).

Bereits im Kindergartenalter (oder gar früher) können Kinder mit Problemen beim Spracherwerb auffallen. Dabei kann die kindliche Ausdrucksweise sehr unterschiedlich gestört sein:

Störungen der Aussprache (Dyslalie):

Laute bzw. Lautverbindungen werden weggelassen (Blume = Lume) und/oder durch andere ersetzt (Kuh = Tuh) und/oder falsch gebildet (Schule = Sule); vgl. auch "Lispeln"

Lispeln (Sigmatismus):

Bei Kindern häufig auftretende Artikulationsstörung, bei der "S"-Laute fehlerhaft gebildet werden (z. B. Zunge zwischen den Zähnen).

Eingeschränkter Wortschatz:

Der Wortschatz des Kindes ist zu klein, d.h. es kann viele Dinge noch nicht altersgemäß benennen. Es verwendet statt dessen hinweisende Ausdrücke (wie "das da") und gebraucht für unterschiedliche Worte (etwa für "Keks", "Brot" und "Löffel") stets den selben Begriff ("Happa").

Diese Störung tritt in der Regel nie isoliert auf, sondern häufig in Kombination mit Dyslalie und/oder Schwierigkeiten beim Grammatikerwerb.

Dysgrammatismus:

Gemeint sind Störungen beim Erwerb und Gebrauch der Grammatik, d.h. der Wort- und Satzbildung. Es zeigen sich bspw. folgende Auffälligkeiten: Auslassungen von Wörtern und Satzteilen (sog. Telegrammstil: "Timo Hause", "Mama Ball", "Miri steht Tisch"), falsche Stellung der Wörter im Satz ("Heute nach Hause gehe ich"), fehlende Form, zum Beispiel Verwechseln von Artikeln ("der Mädchen"); Verben werden nicht gebeugt ("ich gehen", "du machen"); Vergangenheits- und Zukunftsformen werden nicht oder falsch benutzt ("ich bin gegangt", "ich habe gegesst").

Eingeschränktes Sprachverständnis/Sprachverständnisstörung:

Trotz intakten Gehörs wird die Bedeutung von Wörtern und Sätzen nicht verstanden. Diese Störung fällt im Alltag oft nicht auf, weil die Kinder sich am Situationszusammenhang und der Mimik und Gestik des Gesprächspartners orientieren und dadurch wissen, was gemeint ist.

Verläuft die Entwicklung aller o. g. Bereiche verzögert, spricht man von einer Sprachentwicklungsverzögerung. Selbstverständlich müssen die Äußerungen des Kindes immer im Verhältnis zu seinem Alter gesehen werden. So verwendet ein zweijähriges Kind normalerweise Zwei-Drei-Wort-Äußerungen und noch keine komplizierten Satzkonstruktionen. Entsprechendes gilt für die Entwicklung der Aussprache und der anderen geschilderten Bereiche.

Eine normal ablaufende Sprachentwicklung ist jedoch auch immer das Ergebnis einer positiven Gesamtentwicklung (Geistige, motorische Entwicklung, Entwicklung des Hörens, Sehens, Tastens etc., soziale und emotionale Entwicklung) und sollte nicht losgelöst davon betrachtet werden.

Spezielle Formen von Sprach-/Sprechauffälligkeiten:

Näseln (Rhinophonie):

Sprechen mit näselndem Stimmklang

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Offenes Näseln: Der Luftstrom kommt durch die Nase statt durch den Mund (wie bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder bei "Schonhaltung" nach "Polypen"-Entfernung)

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Geschlossenes Näseln: Der Luftstrom kommt durch den Mund, wenn er durch die Nase kommen sollte (etwa bei "Polypen" und schwerem Schnupfen)

Lippen-Kiefer-Gaumenspalten:

LKG-Spalten sind Fehlbildungen des Gesichts, deren Entstehung noch nicht endgültig geklärt ist. Der Ort der Fehlbildung (Mund- und Nasenraum) und dessen Nähe zu Ohr und Kehlkopf können sich auf die Sprachentwicklung des Kindes nachteilig auswirken. Im interdisziplinären Team (zusammen mit Kieferchirurg, HNO-Arzt, Kieferorthopäde) muss die Behandlung frühzeitig beginnen.

Bereits im Alter von wenigen Monaten sollte das Kind einer Logopädin vorgestellt werden (z. B. Elternberatung, Behandlung der evtl. gestörten Trink- und Kaufunktion, Schaffung der muskulären Voraussetzungen für spätere Artikulation). Später sollen falsche Artikulationsmuster, die sich das Kind im Laufe der Zeit angeeignet hat, abgebaut und durch korrekte neue ersetzt werden.

Sprachauffälligkeiten bei Zweisprachigkeit:

Es besteht die Gefahr, die Muttersprache ausländischer Kinder in ihrer Entwicklung zu bremsen (in Kindertagesstätten, Schulen etc.) Dies kann wiederum eine Verzögerung der Zweitsprache zur Folge haben, da die Sprachfähigkeiten der Muttersprache als Grundlage für den Zweitspracherwerb dienen. Die Muttersprache ist demzufolge kein Hindernis für den Deutschlernprozess. Eltern sollten deshalb in der (jeweiligen) Muttersprache mit ihren Kindern sprechen (Prinzip: "Eine Sprache – eine Person"). Das Kind soll lernen, beide Sprachen zu trennen und nicht zu vermischen.