Es war zu einer Zeit, da gab es den Nikolaus zwar schon, aber er war noch nicht DER Nikolaus, sondern er hieß einfach Nikolaus. Das war damals ein ganz gebräuchlicher Vorname, wie heute zum Beispiel Klaus, was ja nichts anderes ist, als die Abkürzung von Nikolaus.

Der Nikolaus wanderte eines Tages, es war übrigens der 6. Dezember, vor ganz, ganz vielen Jahren, in einen tief verschneiten Wald. Es war so kalt, dass sich an seinem Bart richtige Eiszapfen bildeten. Der Nikolaus trug einen dicken, warmen, roten Wintermantel, sowie pelzgefütterte Stiefel. Damit seine Ohren nicht kalt wurden, hatte er eine große, rote Mütze übergezogen.

Wie er so mit seinen großen Schritten durch Eis und Schnee stapfte, traf er plötzlich ein kleines, halb erfrorenes Kind, das ganz allein durch den düsteren Schneewald lief und jämmerlich weinte.

„Warum weinst du so?" wollte Nikolaus wissen. Das Kind schluchzte: „Beim Spielen im Wald habe ich meine Freunde verloren und jetzt kann ich den Weg nach Hause nicht mehr finden. Und außerdem habe ich Angst, nach Hause zu gehen!" Das Kind schlug die Augen zu Boden und erst jetzt sah der Nikolaus, dass es nur einen Stiefel an hatte; der andere Fuß war barfuß und schon ganz blau vor Kälte. „Ich habe nämlich meinen anderen Stiefel verloren", sagte das Kind, „und wenn mein Vater das hört, bekomme ich Schläge. Er kann mir keine neuen Stiefel kaufen, denn wir sind sehr arm!"

„Wie ist das denn passiert, dass du den einen Stiefel verloren hast?" fragte Nikolaus. „Ich hatte mich ja verlaufen und plötzlich war der Weg zu Ende. Vor mir war ein tiefer Graben. Da bekam ich Angst und bin in meiner Not einfach über den Graben gesprungen. Als ich auf der anderen Seite landete, bin ich so tief im Schnee eingesunken, dass der eine Stiefel stecken blieb. Ich konnte nur noch den Fuß herausziehen. Dann habe ich versucht, den Stiefel herauszubekommen, aber er saß zu fest!" Das Kind begann wieder zu weinen.

Dem Nikolaus tat das frierende Kind leid. Er hob es in seine Arme und wickelte es in seinem roten Mantel, so dass nur noch sein Kopf herausschaute. Mit dem Kind in seinen Armen setzte er dann seinen Weg durch den tief verschneiten Wald fort.

Das Kind war so erschöpft, dass es sehr bald einschlief. Nikolaus lächelte und aufmerksam schaute er nach dem Graben aus, von dem das Kind gesprochen hatte.

Als das Kind nach einiger Zeit von Nikolaus geweckt wurde, glaubte es seinen Augen nicht zu trauen. In dem dunklen Wald stand auf einem kleinen Schneehügel eine brennende Kerze und in dem geheimnisvoll flackernden Licht sah das Kind – ja was wohl? – den verlorenen Stiefel!

Nikolaus hatte ihn gefunden und ausgegraben. Aber in dem Stiefel war kein Schnee – den hatte Nikolaus herausgeklopft. Der Stiefel war bis oben hin gefüllt mit Nüssen, Apfelsinen und Lebkuchen, die Nikolaus als Wegzehrung dabei gehabt hatte und die er nun dem hungrigen Kind schenkte. Das Kind war so glücklich und dankbar, dass es den Nikolaus einlud, mit zu sich nach Hause zu kommen.

Das tat der Nikolaus und er kam jedes Jahr wieder; besuchte das arme Kind und brachte ihm jedes Mal einen Stiefel voller Süßigkeiten mit. Als der Nikolaus sah, wie sehr sich das Kind darüber freute, beschloss er, allen Kindern der Erde eine solche Freude zu machen. Seitdem kennt man ihn als DEN Nikolaus und der 6. Dezember ist der Nikolaustag. Und als Erinnerung an die Begegnung mit dem Kind im Wald steckt der Nikolaus seine Geschenke auch heute noch in den Stiefel.